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Asien

Asien - Vergebung

Bhutan

 

Asien ( Vergebung )

Auf der Suche nach den Steinen mit denen ich das GSP vollenden kann, brachte mich eine Reihen von Zufaellen nach Bhutan. Mit einer Einladung der Koeniglichen Regierung flog ich im Juli 2009 ueber  Katmandu in Nepal in das Land des Donner-Drachens. Geschuetzt durch Berge, Taeler und Schluchten konnte das Volk am Himalaja ihre, durch den Buddhismus gepraegte Kultur, bis heute bewahren. In Bhutan dem kleinsten Land Asiens, ein Koenigreich mit Demokratischen Strukturen am Fusse der hoechsten Berge der Welt, suchte ich nach den Steinen die im Global Stone Projekt als Synonym fuer Vergebung stehen.


Fast vier Monate habe ich in dem Land gelebt und gearbeitet, in dem die Zufriedenheit der Bevoelkerung einen Namen hat: Gross National Happiness, zu Deutsch Bruttonationalglueck. Mit einer detaillierten Erhebung auf Grundlage von 290 Fragen wird die Gemuetslage des Volkes permanent ergruendet. Jede Gesetzesaenderung, jede oeffentliche Investition wird sorgfaeltig geprueft, ob sie der Zufriedenheit und dem Glueck des Volkes wirklich dient. Auf dem Happy Planet Index steht Bhutan mit Costa Rica an der Spitze ganz oben auf dem fuenften Platz. Betreut und begleitet von einem jungen Geologen ging ich gleich in der ersten Woche auf die Suche nach Steinen. Auf der spektakulaersten Strasse, die ich je in meinem Leben gefahren bin, kam ich bis nach Phuntsholing an die Grenze zu Indien. Natuerlich gibt es auch in Bhutan Buerokratie, doch im Unterschied zu allen anderen Laendern in denen ich gearbeitet habe, hat man in Bhutan, geradezu mit Enthusiasmus alle Buerokratischen Huerden in kuerzester Zeit bewaeltigt. Mit Genehmigung von drei Ministerien durfte ich Steine aus einem Fluss bergen. Die Betreiber eines Steinbruchs kamen mir mit einem Excavator zur Hilfe. Drei Tonnen war sein Limit. Ich musste einsehen, dass es in Bhutan weder Kran, noch Tieflader und noch weniger eine Strasse in die Aussenwelt gibt, auf der man einen 30 Tonnen schweren Stein haette transportieren koennen. So entschied ich mich, zu mindest fuer den Tiergarten in Berlin, viele kleine Steine zusammen zu stellen.

Auf der Suche nach einem geeigneten Standort fuer den Stein, der von mir bearbeitet, als Gegengeschenk im Land bleibt, bot man mir in der Hauptstadt Thimphu drei Optionen. Ich entschied mich fuer einen Berghang unterhalb des Klosters, der als oeffentlicher Park in der Stadtplanung ausgewiesen ist. Bei der Besichtigung fand ich auf dem Gelaende, gleich oberhalb des Uebungsplatzes der Bogenschuetzen, einen riesigen Felsen. Es war ein grau und weis gesprenkelter Gneis. Der ueber der Erde sichtbare Teil hatte sicher an die hundert Tonnen und eine Oberflaeche von ca. 25 Quadratmetern. Anstatt ein Duzend kleine Steine aus dem Flussbett dorthin zu transportieren, entschloss ich mich, genau diesen Stein zu bearbeiten. Mr. Ugyen Wangda, Head of the Department for Geology, sagte bei einer ersten Besichtigung, dass der Stein vor etwa zehn Millionen Jahren vom Berghang abgerutscht sein muss. Entsprechend verwittert war seine Oberflaeche. Ich dachte, wenn der Stein so lange geduldig auf mich gewartet hat, verdient er es, dass ich ihn liebevoll bearbeite, damit er glaenzt wie ein Juwel. In nur zwei Tagen stellte mir die Power Corporation drei Masten auf und schloss mich kostenlos an das oeffentliche Stromnetz an. Die Bogenschuetzen bauten aus ihrem Regenschutz eine Wellblechhuette und zimmerten mir sogar einen Lattenrost fuer eine Matratze, Meine Tin Suite wie ich mein neues Zuhause nannte, war zwar nicht sehr komfortabel, aber sehr praktisch. Nur dreissig Meter vom Stein und meinem Arbeitsplatz entfernt, sparte es mir viel Zeit, Muehe und auch Geld, denn ich musste mein Werkzeug nicht morgens und abends irgendwo hin schleppen. Die Toilette im Gebuesch erinnerte mich an meine Kindheit, schliesslich wuchs ich in Kriegszeiten auf dem Land auf. Mit einem heizbaren Kochtopf und einem Wasserkocher war ich voellig unabhaengig.
Morgens in der Daemmerung begann ich mein Werk und arbeitete, unterbrochen nur durch einer kurzen Mittagspause, bis es dunkel war.

Mein im Fluggepaeck mitgebrachter Winkelschleifer machte schon nach wenigen Stunden schlapp. Das war aergerlich, aber ich hatte Glueck. Zwei weitere Maschinen gleichen Fabrikats, die ich per Paket vorweg geschickt hatte, kamen am naechsten Tag an. Ich konnte weiterarbeiten, doch schon wenige Tage spaeter waren auch diese beiden Maschinen kaputt. Eilig bestellte ich in Deutschland eine weitere Maschine und liess sie per Express schicken. Abgesehen von den hohen Frachtkosten ging kostbare Zeit verloren. Ich war erleichtert, als die Maschine nach 8 Tagen eintraf, aber leider hielt auch die neue Maschine gerade einmal vierzig Stunden. Ich war verzweifelt. Mein Glauben an Deutsche Wertarbeit hat in dieser Zeit stark gelitten. Schliesslich waren meine Winkelschleifer teures Profiwerkzeug. Unter enormen Zeitdruck entschloss ich mich, eine Maschine aus Indien zu bestellen. Sie war bei halber Watleistung doppelt so schwer und machte meine Arbeit extrem muehsam, aber sie hielt bis zum Schluss durch. Schneller als gedacht hatte ich den groessten aller zum Projekt gehoerenden Steine geformt und auf Hochglanz poliert. Unter der reflektierenden Sonne sah er wirklich wie ein Juwel aus. Um dieses Versprechen einzuloesen, habe ich mehr Werkzeug verschlissen und Diamantschleifscheiben verbraucht, als fuer alle anderen Steine zusammen.

Obwohl weder versprochen noch geplant, uebernahm ich die Gestaltung der naechsten Umgebung des Monuments. Noch einmal holte ich Steine aus dem Fluss und mit einem Lastwagen brachte ich sie bis auf 50 Meter in die Naehe des grossen Steins. Den Transport fuer die letzten Meter sollte der Radlader der Stadtverwaltung uebernehmen. Der aber war unabkoemmlich. Die Zufahrt zur Muelldeponie war durch einen Bergrutsch verschuettet, und das hatte Vorrang. Um das sumpfige Gelaende zu entwaessern, begann ich mit Werkzeug aus dem vorletzten Jahrhundert, zusammen mit ein paar Hilfskraeften Graeben auszuheben. Anstatt laenger auf eine Maschine zu warten, kaufte ich 30 Meter Tauwerk und begann, die Steine wie in alten Zeiten beim Bau der Pyramiden mit
Muskelkraft zu schleppen. Die zweimal sieben Steine als Stufen an ihren Platz zu bringen, entwickelte sich zu einer gewaltigen Herausforderung. Erschwerend war sicher auch, dass keiner der anderen Sprache sprach. Offensichtlich waren diese Menschen daran gewoehnt, von einem Vorarbeiter in guter Kleidung mit weissen Aermelstulpen kontrolliert zu werden. Ich als Vorarbeiter, der in verschlissener Kleidung selbst arbeitet, konnte ihnen keinen Respekt einfloessen. Anstatt Tage brauchte ich Wochen. Mit einem lauten Hooooo Ruck versuchte ich die Kraefte aller Mitarbeiter zu buendeln. Jeden Tag musste ich neue Leute anlernen. An so schwere Arbeit waren sie nicht gewoehnt. Nur einer stand tapfer die ganzen drei Wochen durch. Bei dem Versuch, den Menschen in Bhutan etwas von Deutscher Arbeitseffizienz zu vermitteln, bin ich gescheitert. Auch den Test fuer Geduld habe ich verfehlt. Aber ich bin mir sicher, alle werden sich an den Grandpa Hooooooo Ruck und seiner Ungeduld erinnern. Vielleicht wird einer von ihnen einmal mit seinen Enkelkindern den Stein der Vergebung besuchen und stolz sagen: Ich war dabei diese Steine zu legen, die die sieben Stufen der Evolution symbolisieren.


Mit der Aussenwelt sind die Bhutaner nur mit einer einzigen Fluggesellschaft, ihrer eigen, und einer groesstenteils einspurigen nach Indien fuehrenden, Strasse verbunden. Nach einem guten und langen Gespraech mit dem Premierminister verschob ich meinen Abflugtermin um drei Wochen. Ich war fest entschlossen, das Projekt zum Abschluss zu bringen. Das hiess, alle Arbeiten am und um den Stein herum abzuschliessen und das Monument mit einer Zeremonie einzuweihen. Es lag mir sehr viel daran, den Erwartungen all der vielen Menschen, die mir geholfen hatten, gerecht zu werden.


Es blieben mir nur noch elf Tage um die Einweihung vorzubereiten und die Steine fuer Berlin, die am Flussufer warteten, zu verladen und nach Kalkutta zu bringen. Mein Flug Ticket vor Weihnachten noch ein zweites Mal zu verlaengern war unmoeglich. Ausserdem waren die Naechte in fast dreitausend Meter Hoehe bereits bitter kalt. In Abstimmung mit dem Royal Government of Bhutan, hat mir die Hydro Electro Power Corporation vier Nagel neue Lastwagen zur Verfuegung gestellt. Noch vor Tagesanbruch fuhren wir im Konvoi nach Jymina zu den Steinen.

Mit Hilfe der Leute und der Maschine des Steinbruchs konnten wir 16 von den 18 bereitgestellten Steinen auf die vier Wagen verteilen. Gegen neun Uhr waren wir auf dem Weg an die Indische Grenze. Schon nach 20 Kilometern mussten wir an der ersten Kontrollstation feststellen, dass uns ein wichtiges Papier fehlte. Mein Betreuer und Freund vom Department of Geology beschaffte es umgehend und brachte persoenlich in seinem Auto auch noch meinen Memory Stick mit, den ich an seinem Computer habe stecken lassen. Auf der einspurigen Strasse ging es recht zuegig voran. Weiter im Sueden wird die Strasse seit einiger Zeit auf zwei Fahrbahnen erweitert. Heftiger Monsunregen hatte vor wenigen Tagen ganze Berghaenge abrutschen lassen. Im Schneckentempo quaelten wir uns, von einem Bergrutsch zum naechsten, von Baustelle zu Baustele. Ich sass auf der Talseite und schaute besorgt auf die wenigen Zentimeter die uns von der ungeschuetzten Kante trennte, von der es fast senkrecht Hunderte von Metern in die Tiefe ging. Mein Fahrer Ugyen beruhigte mich. Stolz sagte er, er fuehre heute zum sechsundneunzigsten Mal auf dieser Strecke. Na gut, dachte ich, in Bhutan gibt es nur gute Fahrer, die anderen sind alle in die Tiefe gestuerzt. Ausserdem war ich mir absolut sicher, dass ich mein Projekt beenden werde, also die Steine und auch ich diese abenteuerliche Reise nach Kalkutta ueberstehen werde. Spaetabends trafen wir in der Grenzstadt Phuntsholing ein. Unerwartet war die Nachricht, die mir Mr. Thinlay Tshering, Repraesentant der Hydro Electro Power Corporation ueberbracht hat. Die Steine muessen auf zwei groessere Indische Lastwagen umgeladen werden. Das brachte zwei Tage Verzoegerung. Es gab einfach kein geeignetes Geraet. Ein Autokran war schon beim ersten Stein kaputt. Mir machte das grosse Sorgen, denn in fuenf Tagen sollte in der Hauptstadt das Monument eingeweiht werden. Mir lief einfach die Zeit davon und das machte mich ungeduldig. Fuenfzig Kilometer nach der Grenze blieb ein Lastwagen mit Getriebeschaden liegen. Wir verloren fast einen ganzen Tag mit der Reparatur. Zu dritt wechselten sich die Fahrer Tag und Nacht ab, die schwer beladnen Lastwagen auf der Schlaglochpiste am Laufen zu halten. Pausen erzwangen die immer wiederkehrenden Reifenpannen. Ein Wagen musste nach jedem Stopp von dem anderen angeschoben werden. Endlich in Kalkutta angekommen, warteten wir fast zwei Tage auf die Zollabfertigung. Noch bevor die Steine in die Container verladen waren, musste ich die Rueckreise antreten. Es lagen fast 40 Stunden Busfahrt vor mir. Die Einweihung des Steines musste auf den allerletzten Tag vor meinem Abflug verschoben werden. Fuenf Tage lebte ich mit meinen drei Indischen Lastwagenfahrern auf der Strasse. Im Wechsel teilten sie mit mir ihre Schlafbank. Gemeinsam assen wir die auf einem Petroleumkocher zubereiteten Mahlzeiten.


Ich habe im Laufe meines Lebens einige Sprachen gelernt. Singhalesisch aber fehlte in meiner Sammlung, Die wichtigste und wertvollste Sprache ist sicher das Lachen, denn die braucht keine Vokabeln und wird in der ganzen Welt verstanden. Trotz aller Pannen und Verzoegerungen bemerkte ich an mir selbst, dass ich weder ungeduldig noch aergerlich wurde. Ich war einfach sicher, alles wuerde gut werden, so wie es kommt.


Die Welt so sehen zu koennen verdanke ich den Menschen in Asien, die mir eine andere Perspektive eroeffnet haben. Und dafuer werde ich ihnen immer dankbar sein. Bei meiner Rueckkehr liefen in Thimphu bereits die Vorbereitungen. Am Sonntagnachmittag, ein Tag vor der Einweihungszeremonie, ich wusch gerade die Steine, bekam ich hohen Besuch. Der Premierminister kam mit Familie um sich zu verabschieden. Er bedauerte, dass er durch die kurzfristige Terminverschiebung nicht zur Einweihung kommen koenne und bedankte sich fuer mein Engagement und dafuer, dass ich Bhutan gewaehlt hatte, um im Global Stone Projekt den asiatischen Kontinent zu repraesentieren. Bereits im Wagen, oeffnete er noch einmal die Tuere und reichte mir einen grossen Beutel mit Walnuessen.

Es ist diese spontane und scheue Herzlichkeit die ich in Bhutan, dem kleinen Land am Himalaja mit den zufriedenen Menschen so oft erfahren habe. Diese Erinnerungen nehme ich mit in unsere so hektische Welt, in der Glueck durch HABEN, immer mehr HABEN, definiert wird. Aus dieser Perspektive koennte man den Begriff Entwicklungsland einfach austauschen. Die Erfahrung in Land des Donnerdrachens am Fusse des der hoechsten Berge der Welt werde ich als kostbares Geschenk der gluecklichen Menschen fuer immer bewahren.

Am Montag (26.10.2009) eroeffneten drei Moenche die Zeremonie und segneten den Stein der Vergebung. Anschliessend wurden im Beisein von Presse und TV Team Ansprachen gehalten und das Projekt gewuerdigt. Ich bekam den weissen Schal umgelegt und viele Geschenke. Traditionsgemaess endete die Feier am Bluffet in einer ungezwungenen Unterhaltung unter Freunden.

Am naechsten Morgen am Flughafen wunderte ich mich ueber die besondere Aufmerksamkeit die mir zu Teil wurde. Dann sah ich am Fernseher die Nachrichten und hoerte mein eigenes Interview.

Die Asiatischen Steine aus Bhutan haben am vierten Maerz (04.03.2010) im Tiergarten ihre endgueltige Position erreicht. Damit ist der Steinkreis der fuenf Kontinente geschlossen. Zwoelf Steine liegen im engen Kreis. Ein dreizehnter Stein innerhalb des Kreises ist so ausgerichtet, dass er am einundzwanzigsten Juni das Sonnenlicht reflektiert und an den roten Stein aus Amerika weiter gibt. Nach sechs Monaten intensiver Arbeit sind nun auch die Steine der Vergebung geformt, geschliffen und Poliert. Im Tiergarten sind alle Steine mit ihren Symbolen Erwachen, Hoffnung, Vergebung, Liebe, Frieden in sieben Sprachen beschriftet. Der Kreis aus Licht, als Symbol einer geeinten Menschheit, ist damit zumindest in Berlin  komplett. Um das Globalstone Projekt entgueltig fertig zu stellen, muss noch ein letzter Stein in Russland bearbeitet und gelegt werden.

Die bereits fertig bearbeiteten Steine in Australien und Suedafrika muessen ebenfalls noch aufgestellt werden. Sie warten seit zehn Jahren in Australien und seit acht Jahren in Suedafrika auf einen geeigneten Platz. Vor dreizehn Jahren schrieb in der Projektbeschreibung den Satz: Ausdauer ist meine Staerke, Ungeduld meine Schwaeche, Liebe mein Beitrag fuer eine bessere Welt. Inzwischen, so glaube ich, habe ich auch in der Disziplin Geduld ein wenig Fortschritt gemacht. Ich werde weiter ueben bis das Ziel endgueltig erreicht ist und alle Steine auf den fuenf Kontinenten ihren Platz gefunden haben.